Buchbesprechung Gianfranco D'Anna "Il meccanico delle stelle"

 

Die Person und das Werk Bürgis stehen im Mittelpunkt der seit 2016 alljährlich veranstalteten Symposien in Lichtensteig. Dabei ergab sich, dass das Wirken Bürgis bis in unsere heutige Zeit ausstrahlt, was sich zum Beispiel auch thematisch niederschlug in "Mit Bürgi zu den Sternen" oder "Von Bürgis Uhren zur Femtosekunde". Nun zeigt sich aber darüber hinaus, dass sein Wirken, seine Zeit, sein Umfeld so aussergewöhnlich waren, dass sie sogar Stoff für einen Kriminalroman bieten.

 

Gianfranco D'Anna "Il meccanico delle stelle", 208 Seiten, Bari, Edizioni Dedalo, 2019.

Als E-Book hier erhältlich.

 

Leider ist der Roman bislang nur auf Italienisch erhältlich, aber die sehr positiven Kritiken:

 

https://www.viceversaletteratura.ch/book/20411

https://giornaleorologi.it/2019/12/30/il-meccanico-delle-stelle-un-romanzo-su-jost-burgi/

http://www.almanacco.cnr.it/reader/cw_usr_view_recensione.html?id_articolo=9737&giornale=9718

 

veranlassten uns, unseren Tessiner Kollegen und Bürgianer Massimo Biber, Mathematiker, um seine Einschätzung zu bitten. Er schreibt in mathematischer Kürze:

"Das Buch ist ein historisch-wissenschaftlicher Roman (der Autor ist Physiker) und eine Spy-Story. Es ist gut geschrieben, äusserst spannend und sehr empfehlenswert."

 

Hoffen wir, dass bald auch eine deutsche Version vorliegen wird. Untenstehend finden Sie eine ausführliche Beschreibung von der Wissenschaftsjournalistin Christine D'Anna-Huber (www.science-journalism.ch).

 

 

"Il meccanico delle stelle", Roman von Gianfranco D'Anna

 

Jost Bürgi war ein brillanter Uhrmacher, ein Ingenieur von unbändiger Kreativität und bemerkenswertem mathematischen Talent, ein tüchtiger Instrumentenbauer und Astronom, der mit dem grossen Kepler zusammenarbeitete. Seine an Präzision genauso wie an Schönheit kaum zu übertreffenden Planetarien gehören zu den Schätzen verschiedener Museen. Und doch ist er der breiten Öffentlichkeit heute kaum ein Begriff.

 

Es war deshalb notwendig, ihm Leben einzuhauchen, ihn auch Nicht-Experten bekannt zu machen, sein Werk und sein Arbeitsumfeld zu beschreiben, ihn von einem Vor- und Nachnamen in einen lebendigen Menschen zu verwandeln. Das ist es, was sich Gianfranco D'Anna, Schriftsteller und Physiker, mit «Il meccanico delle stelle» vorgenommen hat, einem historischen Roman, der 2019 vom Verlag Dedalo veröffentlicht wurde.

 

Bürgi 1552 in Lichtensteig im Toggenburg geboren, kam aus bescheidenen Verhältnissen, besass aber ein natürliches Talent für Zahlen und Mechanik. Ohne klassische Bildung – Latein, die damalige Sprache der Gelehrten war ihm fremd –, wurde er zum europaweit bekannten, gefragten und bewunderten Instrumentenbauer und trug in den Disziplinen, in denen er brillierte, wesentlich zum Fortschritt bei. Seine Studien – von seinen «Arithmetischen und geometrischen Progress-Tabulen» über die Fertigung zahlreicher astronomischer und mathematischer Instrumente – sind einzigartig.

 

In der Uhrmacherei zum Beispiel schuf er experimentelle Modelle für die Beobachtung der Position der Himmelskörper. Weil diese astronomischen Hilfsmittel so exakt wie möglich sein mussten, entwickelte Bürgi eine Reihe von bahnbrechenden Neuerungen: Seine Messuhr, war nicht nur die erste, die die Sekunde anzeigte. Dank der Kreuzschlaghemmung (libramentum duplice), dem Federantrieb mit automatischen Zwischenaufzug und einem perfekten Räderwerk hatte sie auch eine ausserordentliche Ganggenauigkeit und variierte, statt der damals üblichen Viertelstunde, pro Tag höchstens um eine Minute.

 

Bürgi, der rationale Uhrenmacher, der die Gesetzmässigkeiten im Lauf der Sterne studiert und die Zeit genauer strukturiert, als dies bisher möglich war, verkörpert das Ideal des Renaissance-Gelehrten in einer Epoche, in der die Wissenschaft noch ganz am Anfang steht, und sich von einer noch immer vom Aberglauben durchdrungenen und von theologischen Dogmen bestimmten Weltsicht zu emanzipieren versucht. Es ist die widersprüchliche Epoche, in der Machthaber und Fürsten in Kometen und Sternen noch immer die Boten des göttlichen Willens sehen und Hofastronomen beschäftigen, um die Zukunft vorauszusehen. Gleichzeitig verbannt die kopernikanische Revolution die Erde aus dem Zentrum des Universums und bahnt sich gegen grossen Widerstand langsam ihren Weg. Das Konzil von Trient ist vor kurzem zu Ende gegangen und die Macht der Inquisition auf ihrem Höhepunkt. Wer der Bibel widerspricht, kann leicht auf dem Scheiterhaufen enden – auch in den reformierten Gebieten, in denen Jost Bürgi lebt.

 

Schauplatz des «Mechaniker der Sterne» ist Kassel. An die dortige Sternwarte, die erste in Europa, wurde der Toggenburger vom Landgrafen Wilhelm IV, genannt der Weise, 1579 als Hofuhrmacher und Verantwortlicher für die astronomischen Messgeräte berufen. Der Roman lässt neben historische Figuren wie den Astronomen Tycho Brahe und Christoph Rothmann, dem Mathematiker Paul Wittich oder Benjamin Bramer, gleichzeitig Bürgis Schwager und Adoptivsohn, eine ganze Reihe von erdachten, aber plausiblen Figuren auftreten und verstrickt sie in abenteuerliche Machenschaften.

 

Vor den satten Farben dieses halb fiktiven, gleichzeitig aber historisch bis in jedes Detail präzisen Bilderbogens von Städten, Jahrmärkten, Hofleben, Kostümen, Musikinstrumenten und Kochrezepten werden Jost Bürgi und die Bedeutung seines Werks wirklich greifbar: Der scheue Uhrenmacher aus dem Toggenburg, der in der unfehlbaren Logik der Räderwerke und Federmechanismen seiner Messinstrumente die Rationalität der Naturgesetze erkannte und ihnen mehr Glauben schenkte als den kirchlichen und weltlichen Autoritäten seiner Epoche.

 

Originaltitel: "Il meccanico delle stelle" Gianfranco D'Anna, 208 Seiten, Bari, Edizioni Dedalo, 2019 (bisher nur auf Italienisch erhältlich).

 

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